Zwischen Vision und Figur – Die spirituell-mythologische Bildwelt von Matthias Bargholz
Ein früher Werkabschnitt
Bevor Matthias Bargholz sich in den letzten Jahren ganz den alten Bäumen und Naturmotiven widmete, arbeitete er viele Jahre an einer anderen Grenze: der zwischen Figuration und Abstraktion. In dieser Schaffensphase entstanden Gemälde, die oft aus spontanen, intuitiven Linien heraus wuchsen – Zeichnungen, die sich zu komplexen, farbstarken Bildorganismen verdichteten. Die Themen waren nicht selten spiritueller oder mythologischer Natur.
Werke wie „Die Musik“ (2001) oder das Triptychon „Die große Nacht“ erzählen keine linearen Geschichten, sondern sind vielmehr visuelle Partituren eines inneren Erlebens: Klang wird zu Form, Bewegung zu Rhythmus, Figur zu Energie. Linien durchziehen das Bildfeld wie Nervengeflechte, wie Landkarten des Bewusstseins. Die Farbe ist dabei nie rein dekorativ, sondern Ausdrucksform seelischer Zustände. Immer wieder treten fragmentierte Körper, Gesichter oder hybride Wesen in Erscheinung – oft zwischen Mensch, Tier und Traumgestalt schwebend.
Diese Bilder sind nicht geplant im Sinne eines narrativen Konzeptes. Sie entstehen aus einem schöpferischen Strom, gespeist aus Intuition, Zeichnung und Erinnerungsbildern. Wie aus einer anderen Wirklichkeit aufgetaucht, offenbaren sich Figuren und Szenen, die etwas Archaisches, ja Schamanisches an sich haben. In ihren Linien lebt ein Rufen aus einer anderen Welt.
Im Rückblick erscheint diese Werkphase wie ein Suchprozess – nach dem Ursprung des Bildes, nach der Verbindung zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren. Sie ist getragen vom Vertrauen in die schöpferische Intuition – und sie bildet zugleich das Fundament für jene neue Klarheit, mit der Matthias Bargholz später der äußeren Natur zuwandte. So schließt sich ein Kreis: von der inneren zur äußeren Vision – von der Vision zur Gestalt.
Die Verwendung der Figur im Bild ist für mich immer entscheidend gewesen. Durch die Figur entsteht ein Raum im Bild, man kann sagen: wir betreten die Bühne. Dabei ist es egal, wie abstrakt die Figur gestaltet ist. Gleichzeitig ist sie eine Art Vermittler des Bildinhaltes für den Betrachter, bildet eine Brücke zwischen der Vision des Künstlers und dem Verständnis des Rezipienten.
Natur als Spiegel des Inneren
Manchmal steht ein Baum nicht nur für sich selbst. In seinen Linien, seinem Alter, seiner
Verwundung und seiner Vitalität spiegelt sich etwas, das tiefer reicht - das eigene Erleben, das
Ringen mit der Welt, die Suche nach Form und Sinn. In der Malerei von Matthias Bargholz
verdichten sich äußere Natur und inneres Erleben zu einer neuen, expressiven Einheit.
Die alten Eichen, knorrigen Stämme und tausendjährigen Olivenbäume, die er malt, sind reale
Wesen - sie existieren an bestimmten Orten, mit einem eigenen Leben, einer unverwechselbaren
Gestalt. Und doch werden sie auf der Leinwand zu mehr als nur Abbildungen. Sie sind Charaktere.
Persönlichkeiten. Spiegelbilder. Sie erzählen nicht nur ihre Geschichte, sondern auch etwas vom
Maler selbst - und vom Betrachter, der sich in ihnen wiederfinden mag.
Diese Malerei flieht nicht in die Abstraktion, aber sie befreit sich von bloßer Gegenständlichkeit. Sie
zielt auf Wahrheit, nicht auf Naturalismus. In der farbintensiven Übersteigerung, in der rhythmischen
Gliederung, in der expressiven Struktur geht es nicht um dekorative Effekte, sondern um ein
existenzielles Sehen. Die Form bleibt, aber sie wird innerlich bewegt, durchdrungen, verwandelt.
"Natur als Spiegel des Inneren" - das ist vielleicht ein stilles Programm, das hinter vielen dieser
Bilder steht. Es ist nicht laut, nicht theoretisch, nicht verkopft. Es wurzelt in der Erfahrung. Und es
öffnet einen Raum, in dem Sehen und Empfinden sich berühren können.
Nature as a Mirror of the Inner Self
Sometimes, a tree does not simply stand for itself. In its lines, its age, its wounds and vitality, something resonates that reaches deeper – personal experience, the struggle with the world, the search for form and meaning. In the paintings of Matthias Bargholz, outer nature and inner perception condense into a new, expressive unity.
The old oaks, gnarled trunks, and thousand-year-old olive trees he paints are real beings – they exist in specific places, with their own life, their unmistakable presence. And yet, on canvas, they become more than mere depictions. They are characters. Personalities. Mirrors. They not only tell their own stories but also something about the painter himself – and about the viewer, who may see themselves reflected in them.
This painting does not flee into abstraction, but neither is it bound to pure objectivity. It aims for truth, not naturalism. In the intense use of color, in the rhythmic composition, in the expressive structure, it is not about decorative effects, but about an existential way of seeing. The form remains – but it is moved, infused, transformed from within.
“Nature as a Mirror of the Inner Self” – this might be a quiet program that underlies many of these works. It is not loud, not theoretical, not cerebral. It is rooted in experience. And it opens a space where vision and emotion can meet.